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Sojaprodukte unter der Lupe: Was ist dran an den Kritikpunkten an Sojamilch, Tofu und Co.? Und darf man Soja essen bei Hashimoto oder PCOS?

 Dies ist ein Gastbeitrag von der Ernährungswissenschaftlerin, Autorin und Ernährungsberaterin Alina Moritz (www.nahrungsdschungel.com).

 

Die Sojabohne gehört neben Gluten bzw. Weizen und Milchprodukten zu dem am stärksten kritisierten Lebensmittel.

Tofu, Sojamilch und Co. sollen…

  • Brustkrebs fördern
  • Männer verweiblichen lassen
  • zu Schilddrüsenunterfunktion führen
  • und allgemein durch die enthaltenen Phytoöstrogene den Hormonhaushalt durcheinander bringen, weshalb davor auch bei PCOS (Polyzystisches Ovarialsyndrom), welches oft mit einer Insulinresistenz (IR) einhergeht, gewarnt wird.

Was an diesen Behauptungen dran ist und ob Soja ein guter Bestandteil einer IR-konformen Ernährung sein kann, soll in folgendem Artikel geklärt werden:

Kritik 1: Der Verzehr von Sojaprodukten fördert das Krebsrisiko – insbesondere das Brustkrebsrisiko

Ja – aber nur, wenn die Phytoöstrogene aus der Sojabohne in unnatürlich hoher Konzentration und als Tabletten isoliert, Labormäusen mit unterdrücktem Immunsystem gegeben werden.

Bist du eine Ratte mit geschwächtem Immunsystem und nimmst Soja als Medikament zu dir? – Wenn nein, dann kann der Verzehr von Sojaprodukten sogar vor Brustkrebs schützen! (1)

Kritik 2: Sojamilch, Tofu und Co. lässt Männer verweiblichen

In manchen Studien gibt es tatsächlich Hinweise darauf, dass die Spermienanzahl bei Männern mit hohem Konsum von Isoflavonen aus Sojaprodukten leicht sinkt. Bis zu einem Konsum von 70 mg Isoflavone konnte aber kein nachteiliger Effekt festgestellt werden. Diese Menge steckt in ca. 300 g Tofu oder einem Liter Sojamilch. (3)

Ein Fallbericht zeigte, dass es ab ca. 360 mg Isoflavonen (=ca. 4 Liter Sojamilch täglich!) zu einem vergrößertem Brustgewebe und erhöhten Östrogenwerten kommen kann. (4) Diese Menge ist aber durch einen normalen Konsum von Sojaprodukten kaum erreichbar.

Der Testosteronspiegel wird durch den Konsum von Sojaprodukten nicht gesenkt. (5)

Mehrere Liter Sojamilch am Tag und mehrere hundert Gramm Tofu sind für niemanden „normal“ und schon gar nicht gesund. Ähnlich negative Auswirkungen würden sich im Übrigen ergeben, würde jemand derartig viele Nüsse und Nussmilchprodukte verzehren oder sich an anderen Lebensmitteln einseitig „überfressen“.

Für die „Verweiblichung“ von Männern sind heutzutage ganz andere Auslöser verantwortlich. Dazu zählen der erhöhte Gehalt an Östrogen im Leitungswasser (durch die Einnahme und Ausscheidung der Hormone der Antibabypille) und die Verwendung von hormonwirksamen Plastikartikeln (z.B. BPA). (6)

Kritik 3: Sojakonsum führt zu Schilddrüsenunterfunktion und ist schlecht bei Hashimoto

Die Isoflavone aus der Sojabohne haben einen so genannten goitrogenen Effekt, d.h. sie behindern die Aufnahme von Jod in die Schilddrüse und hemmen bestimmte Enzyme, die Schilddrüsenhormone herstellen.

Allerdings haben verschiedene Studien und Meta-Analysen gezeigt, dass der regelmäßige Verzehr von Sojaprodukten oder die Zufuhr von isolierten Isoflavonen keine schädlichen Auswirkungen auf die Schilddrüse hat, wenn eine adäquate Jodzufuhr (ca. 200 µg Jod pro Tag) gewährleistet ist. Wird nicht ausreichend Jod (bzw. mehr als der normale Bedarf ohne Goitrogene) zugeführt, kann sich eine Unterfunktion der Schilddrüse entwickeln. (2)

Leidet man an einer Schilddrüsenunterfunktion bzw. Hashimoto, ist der Ausgleich durch Jod nicht mehr so einfach möglich, weshalb ich empfehle in diesem Fall auf Soja(produkte) weitestgehend zu verzichten. Auch andere Lebensmittel wie z.B. Kohlgemüse (Broccoli, Blumenkohl etc.) enthalten Goitrogene und sollten daher ebenfalls wenn dann nur in geringen Mengen und erhitzt gegessen werden. (2)

Kritik 4: Sojaprodukte bringen den Hormonhaushalt durcheinander und sind daher schlecht bei PCOS

Es wird auch davor gewarnt, dass Soja(produkte) wegen der enthaltenen Phytoöstrogene bei PCOS auf keinen Fall gegessen werden dürfen.
Was allerdings wirklich stimmt ist, dass sich Sojaprodukte positiv auf die Gesundheit auswirken:
In randomisierten, placebo-kontrollierten Doppelblindstudien gab man an PCOS erkrankten Frauen ein Präparat mit Soja-Isoflavonen, in einer Menge (36 mg bzw. 50 mg), wie sie auch in ca. 150-250 g Tofu enthalten sind. Nach 12 Wochen konnte man messen, dass sich…

  • die Insulinwerte und die Insulinsensivität verbessert hatten
  • der freie Androgen-Index, die Blutfette (Triglyeride) und ein Marker für oxidativen Stress gesunken waren
  • das follikelstimulierende Hormon (FSH), das bei Frauen an der Regulation des Menstruationszyklus beteiligt ist, erhöht wurde
  • das körpereigene Antioxidans, Glutathion, gestiegen war
    (7,8)

 

Fazit:

Du brauchst keine Angst vor Soja haben, wenn du…

  • keine Ratte bist und dir hochdosiert isolierte Isoflavone einverleibst
  • keine Schilddrüsenunterfunktion hast
  • genügend Jod zu dir nimmst
  • als Mann nicht mehr als einen Liter Sojamilch oder 300 g Tofu zu dir nimmst

Quellen

  • Trock et al. (2006): Meta-analysis of soy intake and breast cancer risk.
  • Messina et al. (2006): Effects of soy protein and soybean isoflavones on thyroid function in healthy adults and hypothyroid patients: a review of the relevant literature.
  • Chavarro et al. (2008): Soy food and isoflavone intake in relation to semen quality parameters among men from an infertility clinic.
  • Lewi et al. (2008): An unusual case of gynecomastia associated with soy product consumption.
  • Hamilton-Reeves et al. (2010): Clinical studies show no effects of soy protein or isoflavones on reproductive hormones in men.
  • WHO & UNEP (2012): State of the science of endocrine disrupting chemicals.
  • Jamilian et al. (2016): The effects of soy isoflavones on metabolic status of patients with polycystic ovary syndrome.
  • Behnaz et al. (2011): Effect of soy phytoestrogen on metabolic and hormonal disturbance of women with polycystic ovary syndrome.

 

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